Wie Versicherungen Produkte entwickeln, die in die digitale Kundenwelt passen

14.05.2018

Leistungsabrechnung

Im Mai 2018 veranstaltete der AMC den Thementag „Digitale Services in Produktmanagement und Kundendialog“. Gemeinsam mit Experten aus Marketing, Produktmanagement und Vertrieb wollte man ausloten, wie die Produktentwicklung an die digitalen Bedürfnisse ihrer Kunden angepasst werden kann. Der Beitrag fasst einige Erkenntnisse der Veranstaltung zusammen.

Noch immer dauert die Produktentwicklung der Versicherer verhältnismäßig lange. Und nicht immer werden Produkte entwickelt, die dem Kundenbedarf entsprechen. Gleichzeitig rücken Mehrwertservices für Kunden in den Fokus, die das eigentliche Produkt ergänzen. Mit den neuen digitalen Möglichkeiten ergeben sich vielfältige Chancen, um Produkte schneller und besser – sprich passgenauer – zu entwickeln und zu vermarkten.

Beim AMC-Thementag „Digitale Services“ stellten Experten der AMC-Partner-Unternehmen Apinauten, Die Bayerische, OEV Online Dienste GmbH, optimise-it und PBM Personal Business Machine ihre Ideen, Trends und Lösungen vor.

Den meisten Versicherern fällt es schwer aus Kundensicht zu denken, schlichtweg weil die Branche dies nicht gelernt hat. Viele Versicherer hatten Jahrzehnte lang vor allem den Vertrieb als Kunden im Blick. Das Wissen über Endkunden ist häufig noch sehr theoretisch. Hinzu kommt: Die „Versicherungswelt von Morgen“ ist schwer vorstellbar, deswegen kann man sie auch nur schwer erfassen. Die Kunst liegt also darin, trotz vieler Unwägbarkeiten gute Produktideen zu entwickeln und diese dann passgenau beim Kunden zu platzieren. Und selbst wenn eine tolle Produktidee existiert, wie zum Beispiel situative Versicherungen, zwingen IDD oder Datenschutz meist zu Abstrichen. Oder aber kleine Produkte werden zu kompliziert und am Ende ganz ad acta gelegt.

Die wesentliche Frage für einen Versicherer lautet heute mehr denn je: Wie kann es gelingen, als Lösungsanbieter zur rechten Zeit im jeweiligen Kontext des Kunden präsent zu sein? Die Herausforderung liegt darin, Produkte so zu entwickeln, dass sie zeit- und marktgerecht sind – das ist allerdings nicht neu und grundsätzliche Voraussetzung dafür, um überhaupt attraktiv sein zu können. Was neu ist, ist die Geschwindigkeit, mit der Produkte heute marktreif sein müssen. Veränderungen passieren heute zu schnell, um mit alten Zyklen und Methoden der Produktentwicklung mithalten zu können.

Kunden wirklich im Blick zu haben, lohnt sich. Wenn Produkte vom Kunden her gedacht werden, haben sie eine größere Chance verkauft zu werden. Das kann auch implizieren, dass der Servicegedanke vor den Produktgedanken tritt. So kann das Angebot eines Multi-Kundenportals, in dem ein Kunde alle relevanten Dokumente (auch anderer Versicherer) bündelt, sehr interessant sein. Kommt dann noch ein KI-Bot dazu, der Kunden in wichtigen Prozessschritten unterstützt, entsteht ein Angebot mit echtem Mehrwert aus Kundensicht. Für Versicherer ist das erst einmal fremd, möchte man doch am liebsten, dass der Kunde nur seine unternehmensspezifischen Dokumente im Blick hat. Doch das ist zu kurz gedacht: Vorteile für einen Versicherer liegen zum Beispiel im täglichen Markenkontakt mit dem Endkunden und der Vertrieb bekäme mehr Kontakt(anlässe) zum Endkunden.

Auch so genannte Safe-Home-Produkte bieten echten Mehrwert für Kunden. Mit dem Thema Sicherheit im eigenen Zuhause sind zwar auch Produkte verknüpft, aber der Servicegedanke öffnet zunächst die Kundentür. Mit den digitalen Möglichkeiten, die im Sicherheits-Equipment wie Bewegungs- oder Rauchmelder liegen, ergeben sich dann wiederum direkte Berührungspunkte mit dem Versicherer. So kann zum Beispiel ein Notfall-Kontakt, wenn der Bewegungsmelder auslöst, direkt zum Versicherer führen.

Auch die Kommunikationskanäle der Kunden verändern sich. Kunden möchten immer stärker selbst wählen, in welcher Form und über welchen Kanal sie Kontakt aufnehmen. Den Kanal zu wechseln, um mit seinem Versicherer in Kontakt zu treten, ist aus Kundensicht wenig smart. Doch nur wenige Versicherer, wie zum Beispiel die ERGO Direkt, setzen in der Kundenkommunikation auf den „Kundenliebling“ WhatsApp. Auch wenn die technischen Möglichkeiten da sind, hindern die rechtlichen Anforderungen viele Versicherer daran, im favorisierten Kanal des Kunden zu antworten.

Chatten ist aus Kundensicht deutlich attraktiver als eMail oder Telefon. Einige Versicherer hegen die Vision einer Automation der Kundenkommunikation und denken über Chatbots nach. Auch wenn bereits Chatbots eingesetzt werden, sind die meisten derzeit noch nicht weit genug, um eine gute Kundenerfahrung zu hinterlassen. Ein positives Beispiel ist der Chatbot Melanie der Hannoverschen Versicherung. Mit ihr können einfache Dialoge geführt werden und sie unterstützt Kunden z.B. in der Zuführung zum richtigen Ansprechpartner.

Konsumenten haben eine enorme Erwartungshaltung: einfach, bequem und sofort soll es sein. Interessenten wie Kunden möchten nicht über ein Wie oder Warum nachdenken. Damit verbunden sind enorme Anforderungen, nämlich sämtliche technische oder nutzungsbedingte Hürden abzubauen. Das Erfüllen von Kundenwünschen sollte im Idealfall über technische Bedenken erhaben sein. Dem Kunden ist es einerlei, ob ein Versicherer eine eigene App entwickelt oder verschiedene Technologien optimal verknüpft – Hauptsache am Ende passt das Angebot zum Kundenbedürfnis.

Mit den wachsenden Anforderungen auf Seiten der Konsumenten geht auch einher, dass Versicherer mit Standard-Angeboten á la „PDF via Mail“ nicht mehr punkten können. Personalisierte Produkte, wie das Nutella-Glas mit eigenem Namen, sind en Vogue. Erste Versicherer setzen auf diesen Trend. So erstellt die AXA beispielsweise personalisierte Angebote, die für Kunden wesentlich attraktiver sind als althergebrachte PDFs. Da taucht der eigene Name in der Angebotsstrecke auf oder – wenn es zum eigenen Nutzerverhalten passt –ein Film, in dem sich der Kunde mit seinen Eckdaten widerspiegelt. Versicherern kann es so gelingen, ihre Kommunikation zu personalisieren und emotional aufzuladen. Das kommt bei Kunden nicht nur besser an, sondern Konsumenten sind auch dazu bereit, für maßgeschneiderte Produkte mehr zu bezahlen.

Wenn Versicherer sich und ihre Produkte neu denken wollen, dann müssen sie sehr disruptiv sein. Um nicht alles komplett auf den Kopf stellen zu müssen, lohnen sich Ansätze, in denen Versicherungsprodukte quasi „Huckepack“ zur rechten Zeit, möglichst mit einer personalisierten Ansprache, im richtigen Kanal des Kunden aufpoppen. Technisch sind moderne Produkte in digitalem Maßstab kein Problem - die Herausforderung liegt darin, den richtigen Kontext aus Kundensicht zu bestimmen und mitzugestalten.